Spurensuche Menschen im Krieg
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"Alpenfestung", Rückzug von Wehrmacht und Waffen-SS

Rückzug der 24.  Armee in die „Alpenfestung“

Wenn schon mit den wenigen Truppen des AOK 24, unter dem Kommando von General Schmidt, keine Riegelstellungen im Raum Bodensee-Hegau zum Aufhalten des französischen Vormarsches  mehr aufgebaut werden konnten, war es sicher auch in seinem Sinne, den Vormarsch der Franzosen in Richtung Vorarlberg und „Alpenfestung“ zu verzögen. Auch General Hans Schmidt wollte schließlich, genau wie die Offiziere und Mannschaften der SS-Unterführerschule Radolfzell, zum Arlbergpass in die „Alpenfestung“. Sein erster Gefechtsstand befand sich im von-Buol‘schen Schloss in Mühlingen, seinen letzten Gefechtsstand richtete er in St. Anton auf der Ostseite des Arlbergpasses ein, das nach Ende des Kriegs im amerikanischen Sektor Österreichs lag.

 

Viele Offiziere und Mannschaften der SS-Unterführerschule Radolfzell, die sich dem Oberkommandierenden des AOK 24, General Schmidt, erst gar nicht unterstellt hatten, waren schon frühzeitig auf dem Weg nach Vorarlberg. Bereits am 20. April 1945 wurden Waffen-SS Truppen auf ihrem Rückzug in die „Alpenfestung“ in Sipplingen, am nördlichen Bodensee, nachgewiesen. So hielt sich zu diesem Termin eine große Zahl SS-Angehöriger im Schulhaus und in der Wohnung des Ortsgruppenleiters und  Lehrers Blersch auf. Ein anderer Teil feierte im Gasthaus Seeblick, auf dem Boll, ausgiebig „Führers Geburtstag“. Die Nacht verbrachte die Truppe in der Schule sowie in einer Scheune im Ort und verschwand bald darauf.

Im von-Buolschen Schloss in Mühlingen, 24 km von der SS-Unterführerschule Radolfzell entfernt, hatte General Hans Schmidt, AOK 24, im April 1945 für einige Tage seinen Gefechtsstand eingerichtet, bevor er Richtung "Alpenfestung" zog. Foto E. Wiedeking

Im Verlauf des Rückzuges der deutschen Truppen längs des nördlichen Bodenseeufers und über den Bodanrück, hatte General Schmidt am 24. April 1945 seinen Gefechtsstand nach Wallhausen und am 26. April nach Konstanz-Egg verlegt. Rückflutende Soldaten wurden an Sammelstellen entlang des Weges in die „Alpenfestung“ aufgehalten und der 24. Armee zugeführt. Aus Friedrichshafen und Lindau sind später weitere Kampfgruppen zu den Truppen des Generals Schmidt hinzugekommen.

General Valentin Feurstein war der Kommandierende des Vorarlberger Festungskommandos. Als Schmidt in Vorarlberg ankam, musste Feurstein sein Kommando an den ranghöheren Kommandanten General Schmidt vom AOK 24 abgeben.

Auch Soldaten der österreichischen Garnisonen sind der Truppe von General Schmidt in Vorarlberg zugeführt worden. Dazu gehörten die Garnisonstruppen von Bregenz, Bludenz und zwei Jägerkompanien aus Landeck, mit eben ausgebildeten jungen Rekruten. Hinzu kamen zwei Kampfgruppen aus Resten der Division 405, sowie vier Kompanien junger Waffen-SS Panzergrenadiere, die wahrscheinlich mehrheitlich aus der SS-Unterführerschule Radolfzell, der Napola Rottweil und Reichenau, stammten.

 

Die Truppen, die dem AOK 24 schließlich in Vorarlberg zur Verfügung standen, beliefen sich auf etwa 6000 Mann. Ein großer Teil dieser Truppen war kampfmüde, aus verschiedenen Waffengattungen zusammengewürfelt und somit von geringem Kampfwert.

(Aus Kapitel 8, „Das Ende – Eine Spurensuche im Hegau, am Bodensee, in Vorarlberg)

Der Weg der Führung der SS-Unterführerschule Radolfzell in die „Alpenfestung“

Der Weg den die Führung der SS-Unterführschule Radolfzell in die „Alpenfestung“ genommen hatte, ist in einem Dokument überliefert, das Willi Hille, damals Führer der Verwaltung der SS-Unterführerschule Radolfzell, nach Originalaufzeichnungen am 21. September 1972 angefertigt hatte. Die in diesem Dokument beschriebenen Einsätze und Abläufe, zunächst im Hegau und am nördlichen Bodensee, später in Vorarlberg, wurden durch die führenden Offiziere der SS-Unterführerschule Radolfzell, die sich dem Kommando von General Schmidt entzogen hatten, kommandiert und auch ausgeführt.
Der Führung der SS-Unterführerschule ging es darum, den Vormarsch der französischen Truppen im aktuellen Frontgebiet zu verzögern, um  sich selber rasch absetzen zu können. Sie wollte in die „Alpenfestung“ gelangen, noch bevor die kämpfenden Truppenreste der 24. Armee den Arlbergpass erreichen konnten. Dabei sollte verdeckt werden, dass diese Absetzbewegung der SS-Führung in Wirklichkeit nichts anderes als eine Flucht vor der Gefangennahme war. Als hochrangige SS-Führer wollten sie unter keinen Umständen in französische Hände fallen, weil sie dort mit härtester Bestrafung rechneten.

Auf der östlichen Seite des Arlbergpasses, in St. Anton, begann die spätere amerikanische Zone in Österreich. Um auf diese Seite zu kommen, mussten sie die Eisenbahnlinie durch den Arlbergtunnel benutzen, da die Passstraße aufgrund der Schneeverhältnisse noch nicht befahrbar war.

 

Die Führung der SS erreichte die Westseite des Arlbergpasses in Außerwald am 1. Mai 1945. Die führenden Offiziere der SS-Unterführerschule Radolfzell bekamen vom Leiter der Schule, Obersturmbannführer Willi Braun, am 2. Mai 1945 in Außerwald neue Pässe mit falschen Identitäten ausgehändigt, die vom Armeeoberkommando 19 hergestellt waren. Sie lösten offiziell die SS-Unterführerschule Radolfzell auf. Danach setzten sich die SS-Offiziere, vier Tage vor der Ankunft der restlichen Truppen des AOK 24, zu Fuß ab. Ihr Fluchtplan war aufgegangen.

(Aus Kapitel 9, „Das Ende – Eine Spurensuche im Hegau, am Bodensee, in Vorarlberg)

Oktober 2008, Haupteingang der ehemaligen SS-Unterführerschule Radolfzell, Heinrich-Koeppen-Kaserne, Archiv des Autors
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